Wer eine Immobilie geerbt hat, steht oft vor vielen Fragen – nicht nur emotional, sondern auch rechtlich und finanziell. Denn mit dem Erbe gehen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einher. Häufig ist zunächst unklar, wie hoch die Erbschaftsteuer ausfällt, ob weitere Erben Ansprüche geltend machen können oder welche Bedeutung ein eingetragenes Wohnrecht hat. Um Klarheit zu gewinnen, ist eine strukturierte Vorgehensweise entscheidend – und im besten Fall auch professionelle Beratung.
Gleich nach dem Erbfall ist zu prüfen, ob die Erbschaft überhaupt angenommen werden soll. Denn mit dem Erbe übernimmt man nicht nur die Vermögenswerte des Verstorbenen, sondern auch dessen Schulden. Ist beispielsweise die Immobilie mit hohen Darlehen belastet oder sanierungsbedürftig, kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, das Erbe auszuschlagen. Dafür bleibt ab Kenntnis des Erbfalls eine Frist von sechs Wochen. Diese Entscheidung sollte gut überlegt und idealerweise mit einem Steuerberater oder Anwalt abgestimmt werden.
Wird die Immobilie angenommen, steht als Nächstes die steuerliche Bewertung im Raum. Die Erbschaftsteuer richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad und dem Verkehrswert der Immobilie. Kinder haben beispielsweise einen Freibetrag von 400.000 Euro, Ehepartner von 500.000 Euro. Übersteigt der Wert der Immobilie diese Grenzen, fällt Steuer an. Der Immobilienwert wird vom Finanzamt auf Basis des sogenannten Bedarfswertverfahrens berechnet – oder kann alternativ durch ein Verkehrswertgutachten nachgewiesen werden. Gerade in Regionen mit stark gestiegenen Immobilienpreisen kann dies eine erhebliche Steuerlast bedeuten.
Häufig wird eine Immobilie geerbt, die nicht leer steht – sei es, weil Angehörige darin wohnen oder ein Wohnrecht im Grundbuch eingetragen ist. Ein sogenanntes dingliches Wohnrecht bleibt auch nach dem Tod des ursprünglichen Eigentümers bestehen. Der Erbe ist dann verpflichtet, dieses Recht zu respektieren – unabhängig davon, ob die Immobilie verkauft, vermietet oder selbst genutzt werden soll. Die Wertermittlung des Wohnrechts hat zudem Einfluss auf den steuerlichen Gesamtwert der Immobilie.
Besonders komplex wird es, wenn mehrere Personen gemeinsam eine Immobilie geerbt haben. In diesem Fall entsteht eine Erbengemeinschaft. Solange keine einvernehmliche Lösung gefunden wird, müssen alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden – vom Unterhalt der Immobilie bis zur Frage, ob sie vermietet oder verkauft werden soll. Ein Verkauf ist nur möglich, wenn alle Erben zustimmen – oder durch eine Teilungsversteigerung, die jedoch meist wirtschaftlich nachteilig ist. In vielen Fällen empfiehlt sich die einvernehmliche Auflösung der Gemeinschaft, etwa durch Auszahlung einzelner Erben.
Auch Pflichtteilsansprüche können nach dem Erbfall relevant werden. Enterbte oder nur mit einem geringeren Anteil bedachte Angehörige – zum Beispiel Kinder oder Ehepartner – haben Anspruch auf einen Pflichtteil in Geld. Dies kann dazu führen, dass ein geerbtes Haus verkauft werden muss, um entsprechende Ansprüche bedienen zu können. Wer eine Immobilie geerbt hat, sollte deshalb frühzeitig prüfen, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsforderungen im Raum stehen.
Nicht zu unterschätzen ist auch die emotionale Komponente. Eine geerbte Immobilie ist oft mit Erinnerungen und familiären Bindungen verbunden. Die Entscheidung, ob das Haus verkauft, vermietet oder selbst genutzt wird, ist daher häufig nicht rein wirtschaftlich geprägt. Dennoch lohnt sich ein nüchterner Blick auf Lage, Zustand, Instandhaltungskosten und den Marktwert. Nur so kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden, die auch langfristig tragfähig ist.
Insgesamt zeigt sich: Wer eine Immobilie geerbt hat, sollte sich frühzeitig mit allen relevanten Fragen auseinandersetzen – rechtlich, steuerlich und wirtschaftlich. Je besser man informiert ist, desto sicherer lässt sich der richtige Weg finden. Ob Verkauf, Selbstnutzung oder Vermietung – eine klare Strategie ist der Schlüssel, um aus dem Erbe das Beste zu machen.